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Neutralität auf dem Vormarsch

Neutralität auf dem Vormarsch

Ein Meinungsbeitrag Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann.

Es geht in Deutschland vorwärts mit dem Neutralitätsgedanken als Friedensimpuls. Beim Gründungskongress des BSW-Jugendverbands (JSW) in Bochum wurde am 26. Juli 2025 mit großer Mehrheit (80 bis 90 Prozent) beschlossen: "Eine neutrale Bundesrepublik und demnach ihr NATO-Austritt soll als Weiterführung der Ideen der Mutterpartei ein Ziel des Jugendverbandes des BSW sein." In der Begründung zu dem Antrag heißt es:

"Die Bundesrepublik sollte eine vermittelnde Rolle in den Konflikten der Welt einnehmen, sich für Völkerfreundschaft und Verständigung einsetzen statt für Militarisierung, Aufrüstung und Kriegstreiberei zu werben. Die NATO-Mitgliedschaft steht diesem Ziel im Weg. Mit Mitgliedschaft der NATO gibt die Bundesrepublik eigene außenpolitische Interessen auf und unterwirft sich denen der USA und ihrer Verbündeten." (1)

BSW-Politikerin Sevim Dagdelen führt dazu aus: "Die BSW-Jugend hat auf ihrem Gründungskongress in Bochum einen wegweisenden Beschluss gefasst: für die Neutralität Deutschlands und den Austritt aus der NATO. Anders wird die Rettung kaum gelingen – wenn man die Bevölkerung retten will." (2) Diese Einschätzung erinnert an den Schriftsteller Rolf Hochhuth, der geäußert hat, dass das Ende Deutschlands (Finis Germaniae) allein durch Ausstieg aus der NATO verhindert werden kann.

Bezeichnend ist, dass der Mainstream zwar voll ist mit der Berichterstattung über den JSW-Gründungskongress, aber nirgends der wegweisende Beschluss zu Neutralität und NATO-Austritt Erwähnung findet. Daran zeigt sich einmal wieder die NATO-Hörigkeit der Mainstream-Medien, die deshalb besser als Herrschaftsmedien zu bezeichnen sind.

Weltunion der Freidenker

Am 16. August 2025 hat in Ungarn die Konferenz der Weltunion der Freidenker stattgefunden. Auch dort stand die "Verteidigung der Neutralität und nationalen Souveränität" auf der Tagesordnung – mit Peter Berger aus Winterthur als Referent. (3)

Schweizer "Weltwoche"

Und auch in der am 16. August erschienenen Ausgabe der Schweizer "Weltwoche" wird das Thema Neutralität aufgegriffen. Bereits im Kopf des Editorials heißt es bezogen auf Deutschland: "Aussenpolitisch empfehlen wir der Bundesrepublik die Neutralität nach Schweizer Art." Und dann führt Chefredakteur Roger Köppel aus:

"Deutschland sollte mehr Schweiz wagen, mehr direkte Demokratie, weniger Zentralismus, und vielleicht wäre es keine schlechte Idee, einmal über das Konzept der schweizerischen Neutralität nachzudenken. Es gibt einflussreiche deutsche Stimmen, etwa den früheren Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi. Sie sehen in einer deutschen Neutralität nach schweizerischem Vorbild einen erfolgversprechenden Weg in die Zukunft."

Für den Weltwoche-Chefredakteur gibt es friedenspolitisch zur Neutralität keine Alternative: "Wären alle Staaten neutral, gäbe es keine Kriege mehr. Die Neutralität erfüllte zudem die zentrale Forderung des Königsberger Philosophenkaisers Immanuel Kant: 'Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.' [...] Die Neutralität ist eine Fessel für den Staat, aber ein Schutzschild für die Bürger. Die Neutralität ist auch das völkerrechtliche Siegel der staatlichen Weltoffenheit. Eine neutrale Bundesrepublik wäre nicht mehr in der Nato. Sie hätte eine eigene Armee der Selbstverteidigung und wäre befugt, mit allen Staaten der Erde gute wirtschaftliche und politische Beziehungen zu unterhalten. Der Neutrale hat keine Feinde, auch keine Bündnisse, die ihn in Kriege ziehen können. Was wäre sinnvoller nach den deutschen Kriegserfahrungen als die Übernahme der schweizerischen Neutralität?"

Und auch für die Ukraine spielt der Neutralitätsgedanke eine entscheidende Rolle. Roger Köppel: "2022 und 2024 zeigte Putin Bereitschaft, den Krieg auch mit erheblichen territorialen Zugeständnissen zu beenden – sofern sich die Ukraine für neutral erklärt. Das haben die Westmächte lange sabotiert, in der Hoffnung, den Ukraine-Krieg als Vorschlaghammer gegen Russland zu verwenden. Das westliche Kalkül ging nicht auf. Trump hat es gemerkt. Die EU noch nicht."

"Selbstbestimmtes Österreich"

Von der Initiative "Selbstbestimmtes Österreich" kommt am 17. August folgende Stellungnahme: "Unsere Hauptaufgabe ist es..., die Bemühungen um den Frieden [wie sie sich mit dem Treffen Trump-Putin gezeigt haben] zu unterstützen und dem Kriegsprojekt EU und seinen willfährigen Helfern... Einhalt gebieten. Perspektivisch könnte eine neutrale Zone von der Ostsee bis zum Mittelmeer die Sicherheit Europas am nachhaltigsten gewährleisten, frei von NATO und EU... Ein Moment dazu ist die große Demonstration für Frieden und Neutralität, die am 18. Oktober 2025 in Wien stattfinden wird. Sie wird von einem Bündnis getragen, das insgesamt zu einer politisch-sozialen Opposition gegen das autoritär-liberale Regime entwickelt werden soll. Frieden mit Russland – Schluss mit dem Kriegsprojekt EU! Stoppt den westlich-israelischen Völkermord an den Palästinensern! Österreichische Neutralität realisieren!"

Tilo Gräser

Vor kurzem hatte auch Tilo Gräser, Redakteur bei transition-news.org und Mitglied des Deutschen Freidenker-Verbands, sich zu Souveränität und Neutralität geäußert. Nur ein neutrales und damit souveränes Deutschland kann zu einer Friedenskraft werden. In diesem Zusammenhang erwähnt er die von der AG Frieden dieBasis Köln initiierte "Kampagne für ein neutrales Deutschland" (deutschlandNEUTRAL.de), die dabei ist, ein breites, lagerübergreifendes und internationales Bündnis zu entwickeln. (4)

Neutralität als Friedensprojekt

Als Ausblick sei hier darauf hingewiesen, dass am 3. Oktober 2025 Vertreter von Neutralitätsinitiativen aus Schweiz, Österreich und Deutschland in Köln zu einer Veranstaltung der "Kampagne für ein neutrales Deutschland" mit dem Titel "Neutralität als Friedensprojekt" zusammenkommen werden. (5) Es ist, als hätten BSW-Jugendverband bzw. Roger Köppel hier gedankliche Anleihen genommen. Denn in der Erklärung der Kampagne heißt es: Ein neutrales Deutschland wird "keinen Bündnissen mehr angehören, über die es in Kriege hineingezogen werden kann" und wird sich "als aktiver Friedensvermittler verstehen".

Quellen und Anmerkungen

(1) Der Titel des Antrags lautet: "Antrag zur außenpolitischen Neutralität und der NATO-Frage 'Wir brauchen Frieden statt NATO.' – Sevim Dagdelen (BSW), in 'Die NATO – Eine Abrechnung mit dem Wertebündnis' (2024)" Antragsteller war BSW- und JSW-Mitglied Viktor Kosan aus Berlin. Die Begründung komplett: "Die Bundesrepublik sollte eine vermittelnde Rolle in den Konflikten der Welt einnehmen, sich für Völkerfreundschaft und Verständigung einsetzen statt für Militarisierung, Aufrüstung und Kriegstreiberei zu werben. Die NATO-Mitgliedschaft steht diesem Ziel im Weg. Mit Mitgliedschaft der NATO gibt die Bundesrepublik eigene außenpolitische Interessen auf und unterwirft sich denen der USA und ihrer Verbündeten. Außerdem geht mit ihr eine unvergleichbare Aufrüstung einher, die den Finanzierungsspielraum für unter anderem soziale Themen beschneidet. Die NATO zieht die Bundesrepublik durch Waffenlieferungen und Stationierung von US-amerikanischen Langstreckenraketen in Ramstein immer mehr in den Stellvertreterkrieg in der Ukraine. Das ist nicht nur moralisch nicht tragbar, auch gefährdet ein solches Spiel mit dem Feuer unseren Frieden. Um einen ernsthaften Beitrag zur Lösung bewaffneter Konflikte leisten zu können, muss sich die Bundesrepublik von den außenpolitischen Interessen der Vereinigten Staaten lösen und demnach einen NATO-Austritt anstreben. Dafür sollten wir uns als Jugendverband des BSW einsetzen."

(2) Brückenkopf Europa
Sevim Dagdelen am 30. Juli 2025 im Overton-Magazin
https://overton-magazin.de/kolumnen/dagdelen-direkt/brueckenkopf-europa/

(3) Konferenz der Weltunion der Freidenker am 16. August 2025 in Gyor (Ungarn)
80 Jahre nach der Befreiung – droht die Rückkehr von Faschismus und Krieg?
https://www.freidenker.org/?p=22387

(4) Ein souveränes und neutrales Deutschland als Friedenskraft
Tilo Gräser am 5. Juli 2025 bei transition-news.org
https://transition-news.org/ein-souveranes-und-neutrales-deutschland-als-friedenskraft
in der NRhZ hier: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=29534

(5) Neutralität als Friedensprojekt
Vortrags- und Diskussionsveranstaltung mit Vertretern von Neutralitätsinitiativen aus Schweiz, Österreich und Deutschland
Freitag, 3. Oktober 2025, 17 bis ca. 20 Uhr
Hinterhof-Salon, Aachener Straße 68, 50674 Köln
Mit Ariet Güttinger (Vorstandsmitglied der Schweizer Initiative "Bewegung für Neutralität"), Daniel Jenny (Bundesobmann des Bündnisses "Neutrales Freies Österreich", NFÖ), Andreas Neumann (Kampagne für ein neutrales Deutschland), Begrüßung: Wolfgang Pawlik (AG Frieden dieBasis Köln) und Moderation: Anneliese Fikentscher (Neue Rheinische Zeitung) 
Veranstalter: Kampagne für ein neutrales Deutschland – initiiert von der AG Frieden dieBasis Köln in Kooperation mit der Neuen Rheinischen Zeitung und dem Bundesverband Arbeiterfotografie
Weitere Infos hier: https://deutschlandneutral.de/aktuelles.html

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bild: Anstecker des Bündnisses Sahra Wagenknecht
Bildquelle: nitpicker / shutterstock


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Anneliese Fikentscher Andreas Neumann BSW Sevim Dağdelen NATO-Austritt Weltunion der Freidenker Roger Köppel